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CHATGPT IN DER HOCHSCHULLEHRE
Ein Text von Anne Jantos und
Claudia Albrecht
Alles ist am Anfang und niemand kann in die Zukunft sehen. Wie bei jeder neuen Technologie, die auf der Tanzfläche der Gesellschaft erscheint, tun sich auch mit ChatGPT neue Gelegenheiten und neue Probleme auf. Der Mehrwert einer jeden neuen Technologie kann erst in der aktiven Nutzung erkannt und ausgeschöpft werden, daher ist jetzt die Zeit des Ausprobierens gekommen. Jede Person – ob Lehrende oder Lernende – kann und muss selbstverantwortlich entscheiden, ob und wie sie ChatGPT für sich und ihre Zwecke nutzt.
WELCHE CHANCEN UND RISIKEN
ERGEBEN SICH?
Wer ChatGPT verwendet, lernt schnell die Grenzen und Möglichkeiten kennen,
die die Software bietet. Sie ist ein würdiger Sparringspartner beim Einstieg in
ein neues Thema oder hilft bei Schreibblockaden. Sie bietet gut strukturierte
und kausale Argumentationen und Zusammenfassungen. Hier liegen die Chancen des
Einsatzes von ChatGPT in der Hochschullehre. Sie kann z. B. Lehrende in
der Lehrgestaltung unterstützen, indem sie Beispieltexte für mathematische oder
Programmierprobleme liefert oder Feedbacktexte für Bewertungen vorschlägt. Dem
Einsatz sind keine Grenzen gesetzt, solange die produzierten Ergebnisse
reflektiert und transparent verwendet werden. Ein großes Risiko bei der Nutzung
von ChatGPT besteht darin, dass kausal und wohlklingende Texte kreiert werden, ihre
inhaltliche Richtigkeit von den Nutzenden aber nicht immer überprüft bzw.
korrekt eingeschätzt werden kann. Dieses Risiko kann in der Hochschullehre
verringert werden, indem die Nutzung und Reflexion von ChatGPT Teil des
Curriculums werden. Lehrpersonen können eine reflektierte Nutzung vorleben und
moderieren. Gemeinschaftlich mit ihren Studierenden lässt sich der
Veränderungsprozess, den ChatGPT angestoßen hat, gestalten. So können
u. a. Probleme und Überlastungen in der Lehre identifiziert oder gar
behoben werden, die durch ChatGPT langfristig verbessert werden können.
Auch eröffnen sich zusätzliche didaktische Gelegenheiten, die es nur zu
ergreifen gilt. Wenn ChatGPT Texte einwandfrei produzieren kann, wird die
Fähigkeit genau dies zu tun weniger relevant für den Arbeitsmarkt. Das bedeutet
im Umkehrschluss, dass andere, komplexere Kompetenzen, die über lineare
Textwiedergabe hinausgehen, relevanter werden. Dazu könnte z. B. gehören, dass
gute Quellenarbeit, stringente Argumentation und kritische Reflexion von Texten
in den Vordergrund der Leistung von Studierenden rücken und damit zu
kompetenzorientiertem Lernen und Prüfen motiviert wird. Studierende können dies
durch entsprechende Aufgaben ausprobieren und die Nutzung von ChatGPT transparent
machen.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Prüfungsleistungen nicht mehr durch
Personen, sondern durch KI erbracht werden, Studierende also mit Hilfe der
Technologie betrügen. Diese Bedenken können nur abgebaut werden, wenn klar ist,
wo die Grenzen liegen. In diesem Kontext ist es wichtig zu beachten, dass
ChatGPT ein Werkzeug und kein Ersatz für menschliche Kreativität ist. Es kann
keine neuen Informationen schaffen, sondern nur wahrscheinlich logische
Abfolgen bestehender Textbausteine neu zusammenführen. Deshalb sollte textproduzierende
KI als ergänzende Ressource erkannt werden, die den Lernprozess unterstützt,
nicht aber ersetzt. Das bedeutet, dass Prüfungsleistungen, wenn sie ausreichend
komplex sind, aktuell noch nicht von ChatGPT gelöst werden können - dazu
gehören z. B. Datenerhebungen, Generierung neuer Erkenntnisse oder die
Beschreibung bisher nicht dagewesener Zusammenhänge. Diese vielschichtigen und
aufwändigen Prüfungsformen können allerdings nicht immer den Lehr- und
Prüfungsalltag ersetzen.
WIE KANN IN DER
HOCHSCHULLEHRE AUF KI REAGIERT WERDEN?
ChatGPT wird nicht verschwinden oder so teuer werden, dass wir eine Nutzung
ausschließen können. Deshalb ist die Hochschullehre dazu aufgefordert, darauf
zu reagieren. Auch ist das ganz im Sinne
der Lehrenden, denn es entspricht ihrer Aufgabe, einer zeitgemäßen
Weiterentwicklung von Lehre. Die vergangenen Wochen zeigten bereits, wie die
Hochschulcommunity schnell und flexibel auf den Bedarf an Information und
Austausch reagierte. Viele Lehrende wurden befähigt, ChatGPT als didaktische Gelegenheit
zu verstehen und seine Funktionsweise und Grenzen nachzuvollziehen. Nun braucht
es in der Hochschullehre einen gemeinsamen Austausch auf Augenhöhe mit den
Studierenden, der zum Ausprobieren und Verorten möglicher Einsatzgebiete anregt
und auf ein geteiltes Verständnis abzielt, wie der Umgang mit ChatGPT
nachhaltig und zum Nutzen aller gestaltet werden kann.
Die größte Schwierigkeit wird darin liegen, bei Lehrenden und Studierenden
die nötigen Kompetenzen zum Einsatz des Tools und zum kritischen Umgang mit den
Ergebnissen auszubilden. Gefordert sind hierbei gerade auch die
lehrunterstützenden Einheiten der Hochschulen. Sie sollten die Phase des
Ausprobierens evaluierend begleiten, entstandene Ergebnisse auswerten und
systematisieren sowie den Lehrenden und Studierenden darauf aufbauend
Weiterbildungsangebote, Handlungsleitfäden und Ideenpools anbieten.
Die Zeit des Ausprobierens sollte allen Akteur:innen der Hochschule dazu
dienen, das Lernen und Lehren unter neuen technologischen Bedingungen gemeinsam
und gewinnbringend zu gestalten sowie die verschiedenen technischen,
didaktischen, organisatorischen und rechtlichen Perspektiven in die
Weiterentwicklung der Lehre einfließen zu lassen. Dazu gehören vor allem das
Zulassen und Reflektieren von Fehlern, der Austausch der gewonnenen Erfahrungen
und eine gelebte Offenheit und Transparenz. Und das, unabhängig davon ob wir
lehren oder lernen, in welcher Disziplin wir agieren und wo wir leben. Jetzt
besteht die Chance, die Aufmerksamkeit für ChatGPT für gutes Lernen und Lehren
zu nutzen und die Zukunft der Hochschulbildung neu zu gestalten. Lassen Sie uns
den Tanz wagen! Sonst werden wir nur Zuschauer einer nicht aufzuhaltenden
Entwicklung.
Written by biological organism :]