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Montag, 27. Februar 2023

Ein Statement zu ChatGPT in der Hochschullehre

ChatGPT logo - ChatGPT – Wikipedia

CHATGPT IN DER HOCHSCHULLEHRE

Ein Text von Anne Jantos und Claudia Albrecht

Alles ist am Anfang und niemand kann in die Zukunft sehen. Wie bei jeder neuen Technologie, die auf der Tanzfläche der Gesellschaft erscheint, tun sich auch mit ChatGPT neue Gelegenheiten und neue Probleme auf. Der Mehrwert einer jeden neuen Technologie kann erst in der aktiven Nutzung erkannt und ausgeschöpft werden, daher ist jetzt die Zeit des Ausprobierens gekommen. Jede Person – ob Lehrende oder Lernende – kann und muss selbstverantwortlich entscheiden, ob und wie sie ChatGPT für sich und ihre Zwecke nutzt.

 WELCHE CHANCEN UND RISIKEN ERGEBEN SICH?

Wer ChatGPT verwendet, lernt schnell die Grenzen und Möglichkeiten kennen, die die Software bietet. Sie ist ein würdiger Sparringspartner beim Einstieg in ein neues Thema oder hilft bei Schreibblockaden. Sie bietet gut strukturierte und kausale Argumentationen und Zusammenfassungen. Hier liegen die Chancen des Einsatzes von ChatGPT in der Hochschullehre. Sie kann z. B. Lehrende in der Lehrgestaltung unterstützen, indem sie Beispieltexte für mathematische oder Programmierprobleme liefert oder Feedbacktexte für Bewertungen vorschlägt. Dem Einsatz sind keine Grenzen gesetzt, solange die produzierten Ergebnisse reflektiert und transparent verwendet werden. Ein großes Risiko bei der Nutzung von ChatGPT besteht darin, dass kausal und wohlklingende Texte kreiert werden, ihre inhaltliche Richtigkeit von den Nutzenden aber nicht immer überprüft bzw. korrekt eingeschätzt werden kann. Dieses Risiko kann in der Hochschullehre verringert werden, indem die Nutzung und Reflexion von ChatGPT Teil des Curriculums werden. Lehrpersonen können eine reflektierte Nutzung vorleben und moderieren. Gemeinschaftlich mit ihren Studierenden lässt sich der Veränderungsprozess, den ChatGPT angestoßen hat, gestalten. So können u. a. Probleme und Überlastungen in der Lehre identifiziert oder gar behoben werden, die durch ChatGPT langfristig verbessert werden können.

Auch eröffnen sich zusätzliche didaktische Gelegenheiten, die es nur zu ergreifen gilt. Wenn ChatGPT Texte einwandfrei produzieren kann, wird die Fähigkeit genau dies zu tun weniger relevant für den Arbeitsmarkt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass andere, komplexere Kompetenzen, die über lineare Textwiedergabe hinausgehen, relevanter werden. Dazu könnte z. B. gehören, dass gute Quellenarbeit, stringente Argumentation und kritische Reflexion von Texten in den Vordergrund der Leistung von Studierenden rücken und damit zu kompetenzorientiertem Lernen und Prüfen motiviert wird. Studierende können dies durch entsprechende Aufgaben ausprobieren und die Nutzung von ChatGPT transparent machen.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Prüfungsleistungen nicht mehr durch Personen, sondern durch KI erbracht werden, Studierende also mit Hilfe der Technologie betrügen. Diese Bedenken können nur abgebaut werden, wenn klar ist, wo die Grenzen liegen. In diesem Kontext ist es wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein Werkzeug und kein Ersatz für menschliche Kreativität ist. Es kann keine neuen Informationen schaffen, sondern nur wahrscheinlich logische Abfolgen bestehender Textbausteine neu zusammenführen. Deshalb sollte textproduzierende KI als ergänzende Ressource erkannt werden, die den Lernprozess unterstützt, nicht aber ersetzt. Das bedeutet, dass Prüfungsleistungen, wenn sie ausreichend komplex sind, aktuell noch nicht von ChatGPT gelöst werden können - dazu gehören z. B. Datenerhebungen, Generierung neuer Erkenntnisse oder die Beschreibung bisher nicht dagewesener Zusammenhänge. Diese vielschichtigen und aufwändigen Prüfungsformen können allerdings nicht immer den Lehr- und Prüfungsalltag ersetzen. 

 WIE KANN IN DER HOCHSCHULLEHRE AUF KI REAGIERT WERDEN?

ChatGPT wird nicht verschwinden oder so teuer werden, dass wir eine Nutzung ausschließen können. Deshalb ist die Hochschullehre dazu aufgefordert, darauf zu reagieren.  Auch ist das ganz im Sinne der Lehrenden, denn es entspricht ihrer Aufgabe, einer zeitgemäßen Weiterentwicklung von Lehre. Die vergangenen Wochen zeigten bereits, wie die Hochschulcommunity schnell und flexibel auf den Bedarf an Information und Austausch reagierte. Viele Lehrende wurden befähigt, ChatGPT als didaktische Gelegenheit zu verstehen und seine Funktionsweise und Grenzen nachzuvollziehen. Nun braucht es in der Hochschullehre einen gemeinsamen Austausch auf Augenhöhe mit den Studierenden, der zum Ausprobieren und Verorten möglicher Einsatzgebiete anregt und auf ein geteiltes Verständnis abzielt, wie der Umgang mit ChatGPT nachhaltig und zum Nutzen aller gestaltet werden kann.

Die größte Schwierigkeit wird darin liegen, bei Lehrenden und Studierenden die nötigen Kompetenzen zum Einsatz des Tools und zum kritischen Umgang mit den Ergebnissen auszubilden. Gefordert sind hierbei gerade auch die lehrunterstützenden Einheiten der Hochschulen. Sie sollten die Phase des Ausprobierens evaluierend begleiten, entstandene Ergebnisse auswerten und systematisieren sowie den Lehrenden und Studierenden darauf aufbauend Weiterbildungsangebote, Handlungsleitfäden und Ideenpools anbieten.

Die Zeit des Ausprobierens sollte allen Akteur:innen der Hochschule dazu dienen, das Lernen und Lehren unter neuen technologischen Bedingungen gemeinsam und gewinnbringend zu gestalten sowie die verschiedenen technischen, didaktischen, organisatorischen und rechtlichen Perspektiven in die Weiterentwicklung der Lehre einfließen zu lassen. Dazu gehören vor allem das Zulassen und Reflektieren von Fehlern, der Austausch der gewonnenen Erfahrungen und eine gelebte Offenheit und Transparenz. Und das, unabhängig davon ob wir lehren oder lernen, in welcher Disziplin wir agieren und wo wir leben. Jetzt besteht die Chance, die Aufmerksamkeit für ChatGPT für gutes Lernen und Lehren zu nutzen und die Zukunft der Hochschulbildung neu zu gestalten. Lassen Sie uns den Tanz wagen! Sonst werden wir nur Zuschauer einer nicht aufzuhaltenden Entwicklung.


Written by biological organism :]