ellog - Das E-Learning-Logbuch

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Sonntag, 16. Februar 2014

Erfahrungen mit E-Teaching an der TU Dresden - Interviewserie - Teil 1: Prof. Dr. Schoop

Prof. Dr. Eric Schoop und Corinna Jödicke von der Fakultät Wirtschaftswissenschaften
Prof. Dr. Eric Schoop hat den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik insbesondere Informationsmanagement seit 1993 inne und wird seit 2010 von Dipl.-Hdl. Corinna Jödicke beim Ausbau und der Verbesserung von E-Learning- und E-Teaching-Arrangements unterstützt.

Welche E-Teaching-Verfahren oder neuen Medien haben Sie bisher in Ihrer Lehre benutzt?

Prof. Schoop:

Zur Unterstützung der Präsenzlehre nutze ich OPAL, das ist das Standardinstrumentarium. Dort lege ich besonderen Wert auf Foren und Wikis für studentische Arbeiten zur Veranstaltungsbegleitung. Außerdem zeichnen wir Vorlesungen auf, seit wir 2006 auf Bachelor und Master umgestellt haben. Die positiven Erfahrungen dieses digitalen Mitschneidens haben wir dann über die Jahre weiter verwendet, sodass mittlerweile alle meine Routinevorlesungen aufgezeichnet im Internet stehen. Die dritte Komponente, die wir nutzen, ist eAssessment. Wir verwenden OPAL Onyx für eKlausuren und zwar sowohl im Multiple Choice Format als auch im Freitextformat. Last but not least haben wir seit 2001 unsere virtuellen Projekte, die wir als Virtual Collaborative Learning (VCL) bezeichnen. Dabei führen wir Studierende auf einer bereitgestellten Lernplattform zusammen und teilen sie in kleine Lerngruppen ein. Die Gruppen sind immer standortübergreifend gemischt, also beispielsweise zwei Studenten von uns mit zwei aus der Türkei und zwei aus Leipzig. Sie bilden dann ein internationales Team, kennen sich nicht und lernen sich in der Regel auch nicht kennen, bearbeiten aber einen gemeinsamen wirtschaftswissenschaftlichen Case, also eine Fallstudie. Die Plattform stellt dabei verschiedene Web 2.0-Werkzeuge zur Unterstützung der Interaktion und Koordination zwischen den Lernenden bereit. Wir setzen dieses Artefakt immer wieder überarbeitet und mit immer wieder neuen Lernzielen versehen jedes Semester in der Lehre ein. Vorab stellen wir über die eLectures bestimmte grundlegende Fachinhalte zum Selbststudium bereit, dann werden die Gruppen eingeteilt, bekommen ihre entsprechenden Arbeitsaufträge, organisieren sich im Team selbst in verschiedenen vorgegebenen Rollen und arbeiten über vier bis sechs Wochen die Fallstudie durch. Dabei werden sie von speziell von Frau Jödicke ausgebildeten eTutoren begleitet. In der eTutoren-Ausbildung wiederum setzen wir auch auf ein Blended-Learning-Arrangement bestehend aus Lernphasen im Virtuellen Klassenraum, Präsenzvortrag und Workshop. Zum praktischen Erfahren der virtual-classroom-Situation sollen die angehenden eTutoren selber Aufgaben in dieser Umgebung lösen.

Welche Ziele und Erwartungen hatten Sie beim Einsatz der E-Teaching-Methoden im Auge und welche Vorteile bieten sie Ihnen?

Prof. Schoop:

Die Hauptmotivation ist eigentlich, unsere Absolventen, die Wirtschaftswissenschaftler sind, auf das spätere berufliche Umfeld so vorzubereiten, wie sie dort arbeiten werden, nämlich in Projektgruppen mit oft wechselnden Teams, die immer häufiger global aufgestellt sind. Und auch dort hat man die Situation, dass man nicht jeden im Team kennt oder kennenlernt und deswegen stand am Anfang schon im Vordergrund, dass die Studierenden Medienkompetenz, Kommunikations- und Kollaborationsskills erwerben. Wir nehmen auch nicht irgendwelche Fallstudien in den VCLs, sondern arbeiten diese sehr sorgsam didaktisch in Hinblick auf die Nutzung mit den Onlinewerkzeugen auf. Beim Arbeiten mit den Fallstudien soll die Fachkompetenz, die man vorher in der normalen Vorlesung oder eLecture erworben hat, gemeinsam geübt werden. Das Bereitstellen von komplexen Fallstudien im VCL trainiert einfach noch einmal eine ganz andere Kompetenz als es die klassische Übung im Seminar ermöglicht.

Corinna Jödicke:

In unserem Verständnis umfasst der virtual classroom sowohl synchrones als auch asynchrones Arbeiten. Das bietet den Vorteil, dass die Lernenden nicht immer zeitgleich am Fall arbeiten müssen, sondern über eine zentrale Lernplattform wie OPAL im Forum oder Wiki zusammen arbeiten können und, ohne sich treffen zu müssen, Skype oder einen integrierten Chat nutzen. Man ist damit sehr zeitunabhängig, was vor allem dann wichtig ist, wenn sich die Lerner in unterschiedlichen Zeitzonen befinden. Der Kick-off erfolgt zwar in einer synchronen Session, aber auch die machen wir mit Adobe Connect, also einer Videokonferenz, die wir Dozenten organisieren.

Prof. Schoop:

Auch das kommt natürlich bei den VCLs noch dazu: intercultural awareness und Sprachkompetenz. Die Studierenden können ihre Fremdsprachenkenntnisse endlich einmal üben.

Corinna Jödicke:

Es geht auch darum, die Selbstorganisationsfähigkeit der Gruppen zu fördern. Sie müssen selber lernen, zu Laufen und sich zu strukturieren. Das ist schon etwas anderes als das Konsumieren in einer klassischen Vorlesung. Sie haben so eine sehr aktive Rolle, was dem modernen Lehr-Lern-Verständnis entspricht.

Prof. Schoop:

Vorteil bei der digitalen Aufzeichnung von Vorlesungen ist bei den Studierenden zum Beispiel auch die Entkopplung der Präsenzpflicht. Außerdem können sie bei der Vorbereitung auf die Prüfungen Dinge mehrmals hören und sie sich vielleicht aufgrund einer nonverbalen Besonderheit leichter merken. Besonders für Nicht-Muttersprachler ist es auch ein Vorteil, wenn man etwas nicht verstanden hat, eine Vorlesung zwei oder dreimal anhören zu können. Darüber hinaus schaffen wir uns dadurch, dass der Basisstoff digital vorliegt, im Masterstudium einen Freiraum. Diesen nutzen wir dann für Seminare, bei denen die Studierenden in Gruppen Fallstudien zu dem digitalen Hintergrundstoff bekommen und ich als Moderator der Seminarvorträge anstelle des Vorlesenden des Stoffes fungiere. Die Motivation ist hier also nicht die Rationalisierung, sondern die intelligente Nutzung von Zeit.

Auch die eKlausuren kommen gut an und bringen einen guten Lernerfolg. Außerdem ist die Korrekturzeit ist für mich deutlich geringer als bei einer normalen Klausur.

Wie ist also die Resonanz insgesamt in Bezug auf Ihre E-Teaching-Methoden bei den Studierenden?

Corinna Jödicke:

Gerade bei den VCL-Projekten ist die Rückmeldung häufig, dass es anstrengend ist, da eine sehr intensive Zusammenarbeit in einem kompakten Zeitraum von vier bis sechs Wochen stattfindet. Wenn es dann etwas „gesackt“ ist, sind die Wahrnehmungen in der Regel recht positiv. Nicht umsonst gibt es Studierende, die immer wieder zu uns kommen und mitunter die dritte oder vierte VCL machen. Unterm Strich ist es gut und wirklich etwas ganz anderes, was man selten an anderen Lehrstühlen und der Uni erlebt.

Prof. Schoop:

Wer natürlich den geringsten Widerstand im Studium sucht, geht lieber für seine drei Leistungspunkte regelmäßig in eine Vorlesung und schreibt eine 90-Minuten-Klausur am Ende. Bei den VCLs gibt es auch nur drei Leistungspunkte, aber ganz andere Anforderungen. Das liegt nicht jedem.

Wie schätzen Sie den Arbeitsaufwand beim Umsetzen von E-Teaching-Methoden ein?

Prof. Schoop:

Es gibt zwei Punkte: Das eine ist der hohe operative Aufwand bei der Durchführung und das zweite ist, sich überhaupt erst einmal da heran zu trauen. Man muss erst einmal ein enormes Erfahrungswissen haben. Beispielsweise muss die simple Vorlesung über eine Videokonferenzanlage oder die Aufzeichnung einer Lehrveranstaltung mit der Kamera anders vorbereitet werden als eine klassische Vorlesung. Auch bei den Prüfungen ist der Rüstaufwand bei einer einmal erstellten Multiple-Choice-Klausur geringer, als wenn sie als eAssessment mit OPAL Onyx erstellt wird. Man muss die Korrekturen online eingeben, was auch aufwendiger ist, als einen ausgedruckten Stapel Klausuren zu korrigieren.

Corinna Jödicke:

Das ist richtig. Es ist natürlich nicht nur für die Lernenden, sondern auch für die Dozenten mehr Aufwand im Vergleich zur klassischen Präsenzlehre. Das Bewertungsinstrumentarium um die VCL herum ist zum Beispiel sehr komplex, denn wir müssen die verschiedenen Zielstellungen, die wir haben, am Ende ja auch evaluieren.

Prof. Schoop:

Allein schon die Vorbereitung des Arrangements ist sehr aufwendig. Kollegen an anderen Hochschulen, die das VCL-Projekt mit ihren Studienordnungen abstimmen müssen, und ein gemeinsames Zeitfenster zu finden ist schon schwierig, denn östlich von Dresden ist das Semester Anfang Juni beendet, während es bei uns dann erst richtig in die Leistungskurve geht. Es ist also ein hoher Aufwand in der Vorbereitung, in der technischen Bereitstellung der Arrangements und in der Vorqualifikation der Lernprozessbegleitung.

Würden Sie das Verwenden von E-Teaching-Verfahren und neuen Medien in der Lehre trotzdem als sinnvoll einschätzen?

Prof. Schoop:

Man muss immer schauen, mit welchem Aufwand man welche Mehrwerte erreicht. Das fällt uns relativ leicht, weil ich mir seit 15 Jahren das Thema Lehre und Lehr-Lern-Arrangements als Forschungsgegenstand gewählt habe. Dadurch nehmen wir den Aufwand in Kauf. Ich würde niemandem raten, sofort mit einem VCL-Projekt einzusteigen. Man sollte damit beginnen, beispielsweise die klassische Hausarbeit abzusetzen, indem man die Studierenden bis Ende des Semesters ein Wiki ausarbeiten und im Rahmen einer Abschlusskonferenz präsentieren lässt. Das ist relativ simpel machbar und mit den gegebenen Ressourcen, die ja auch immer enger werden, vielleicht ein erster Schritt, sich ans E-Teaching heran zu trauen.

Denken Sie, dass eine gezielte Weiterbildung wie beispielsweise im Rahmen des Qualifizierungsangebotes E-Teaching.TUD helfen könnte, die Vorteile neuer Medien für die Lehre zu nutzen und Vorbehalte und Unsicherheiten abzubauen?

Prof. Schoop:

Sicherlich. Denn dadurch kann man sehen, wie es geht und wie relativ simpel es ist. Wenn man  sich erst einmal heran getraut hat und es vorgefertigte Templates für die Arbeit gibt, dann denke ich schon, dass das hilft. Es hat aber sicherlich auch etwas mit Ressourcen zu tun. Es könnte bestimmt eine zusätzliche extrinsische Motivation sein, wenn man wie wir noch Ressourcen im Sinne von Mitarbeitern hat oder für eine Umstellungsphase bis man Routine im E-Teaching gewonnen hat, befristet zusätzliche Lehrressourcen bereit gestellt bekommt. Quasi als bedingte Bereitstellung von Mitarbeitern, wenn man mit denen intensiv ins E-Learning einsteigt. Das wäre vielleicht auch ein Katalysator, um die Akzeptanz, das tatsächliche Umsetzen und die Nachhaltigkeit in einer Größenordnung zu bewegen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.